Von Ur-Giveaways, automobiler Kaufreizinflation und dem Praktiker-Effekt
„Die sind mir zu sauer“, behauptete der Fuchs. Fabelhafte Ausrede – in Wahrheit erreichte er die Trauben nur deshalb nicht, weil sie zu hoch hingen.
Oder ist das nur eine üble Verleumdung? Immerhin gilt er doch als clever, der Fuchs. Außerdem: Früchte haben nun mal süß zu sein – sonst werden sie verschmäht. Und das wäre fatal, denn immerhin sind sie ein genialer Marketingtrick der Natur …
Traube, Apfel, Birne & Co.:
Die ersten Giveaways aller Zeiten
„Iss meine Früchte, sie schmecken lecker“, so lautet das süße Versprechen von Baum und Strauch. Die Botschaft wird verstanden, das Ziel der Kampagne erreicht: nämlich die Verbreitung des Samens. Oder anders gesagt: die Verbesserung der Marktposition.
Süßer Geschmack ist eine Verlockung, die auch bei der Zielgruppe Homo sapiens wirkt. Übrigens besser, als es gut für uns wäre, wie Statistiken zu Übergewicht, Karies und Diabetes zeigen.
Und das halbe Königreich dazu?
Süße Versprechen – doch manchmal wäre weniger mehr
Ein Würfel Zucker pro Tasse schmeckt angenehm süß, zwei sind auch noch annehmbar, aber drei, vier oder gar mehr? „Widerlich süß“, würden die meisten von uns diese Maßlosigkeit kommentieren.
Auch im Marketing wirkt es sich nicht unbedingt positiv aus, wenn mit des Guten zu viel gelockt wird:
„20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“ – dieses Angebot scheint öfter zu gelten, als es nicht aktuell ist. Längst fragt sich der clevere Verbraucher, warum er überhaupt jemals 100 Prozent zahlen sollte. Da wäre man ja schön blöd! Einfach zwei, drei Wochen abwarten, und schon gibt’s alles zum Schnäppchenpreis.
Der Effekt? Das Angebot wird zur Standarderwartung, die kaum noch zu toppen ist. Werbewirkung? Leider verpufft. Dank inflationärer Marketingversprechen.
Die Kaufanreize der Autohäuser haben einen ganz ähnlichen Effekt. Denn sie sind so beliebig, dass man sie kaum der entsprechenden Marke zuordnen kann: Leasing ohne Anzahlung, Mehrwertsteuer geschenkt, Winterreifen dazu, Abwrackprämie verdoppelt, Klimaanlage gratis, Null-Prozent-Finanzierung … Schon erstaunlich, was da alles aus dem Hut gezaubert wird. Aber macht es die Verbraucher glücklich, dankbar und der Marke treu ergeben? Mitnichten: Sie werden gierig und vermuten einen schier unendlichen Verhandlungsspielraum.
Fazit aus Marketingsicht: ein Musterbeispiel für Etatverschwendung!
Übertriebene Rabatte machen auch mich generell hellhörig: Wo „70 Prozent reduziert“ draufsteht, muss ja vorher eine Wahnsinnsgewinnspanne einkalkuliert gewesen sein – so die logische Folgerung. Und wenn ich das Pech habe, das betreffende Produkt vor gerade mal einer Woche zum ursprünglichen Preis gekauft zu haben, setze ich gleich vor Ärger das Hassmützchen auf …
Und die Moral von der Geschicht?
Süßholz raspeln ist kalter Kaffee …
Wahrscheinlich hat der Fuchs in der Fabel in Wahrheit die Nase gerümpft, weil die Trauben unerträglich süß waren. Ganz bestimmt sogar. Denn sauer macht ja bekanntlich lustig. Überzuckertes dagegen höchstens Bauchweh …
Was bei Früchten funktioniert, kann auch im Marketing den gewünschten Erfolg bringen. Wenn nämlich die süßen Versprechen wohldosiert sind, gezielt eingesetzt werden, perfekt auf den Geschmack der Zielgruppe abgestimmt sind und mit der unverwechselbaren Rezeptur des Unternehmens harmonieren.
Zum Glück ist die Gewürzmischung in Heide Liebmanns Advents-Blogparade perfekt komponiert und überaus köstlich. Gerne habe ich über ihr Thema „Zu viel Zucker im Kaffee“ nachgedacht und das Türchen mit der Nummer 21 verzuckert …
Petra
„20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“. Das ist mein absoluter Liebling :))) Ich weiß nicht, wie oft wir den hier veräppeln, mitgrölen und hinterher in schallendes Gelächter ausbrechen. Sogar Kater Merlin raunzt schon angenervt und amüsiert ob so viel Dämlichkeit. Danke, Heike, für diesen witzigen Blogbeitrag! Klasse!
admin
Danke für die Blumen, Petra :-)
An sich finde ich diese Alles-außer-Tiernahrung-Sache gar nicht so übel. „Auf alles“ könnte man sich bestimmt schlechter merken als ohne diese – zugegebenermaßen etwas absurde – Einschränkung. Aber die Aktion findet einfach zu oft statt. Inzwischen werden ganze Renovierungsprojekte nach den Praktiker-Angebotswochen geplant. Und dazwischen? Wer geht da überhaupt zu Praktiker? Tiernahrungskäufer?
Also unser Hundefutter wird geliefert …