Ich war noch nie auf Mallorca. Ich besuche keine Diskotheken. Und ich bin kein Skihütten-Gast. Mit anderen Worten: Ich war in keinster Weise vorbereitet auf den Wendler …
Es ist Sonntag, früher Abend. Das Kaminfeuer prasselt. Der Tee ist süß und heiß. Ich mache es mir auf dem Sofa gemütlich und zappe durch die Programme. Eine Sekunde zu lange bleibe ich bei SAT1 hängen – und dann überkommt mich eine Schockstarre, die verhindert, dass ich weiterschalte. Denn was ich sehe, ist so unfassbar, dass das Wort „Fremdschämen“ lächerlich untertrieben wäre.
Für alle, die ebenso ungebildet sind in Sachen „König des Discofox“ oder „deutscher Popschlager“ wie ich, hier eine kurze Definition: Michael Skowronek, genannt Michael Wendler, genannt der Wendler, ist ein Dinslakener ehemaliger Speditionskaufmann, der mit Titeln wie „Sie liebt den DJ“, „Partyhäschen“ oder „Jede Liebe ist Selbstsucht“ offenbar jede Menge Kohle macht.
So viel, dass er es sich goldfarbene Türgriffe leisten kann, eine voluminöse Sprudelbadewanne und ein Weibchen, das ihn anhimmelt und für ihn einkaufen geht. Zum Beispiel immer zehn Jeans auf einmal. Oder Hemden – aber nur in Schwarz oder Weiß. Andere Hemden zieht er nicht an, der Wendler. Er hat nämlich Geschmack. Und worauf er so richtig steht, das ist er selbst.
Deshalb gefällt er sich auch wahnsinnig gut als Hauptdarsteller einer sogenannten Doku-Soap mit dem Titel „Der Wendler-Clan“. Klingt peinlich – und ist es auch. Im höchsten Maße. Die Frage, womit das Dschungelcamp an Geschmacklosigkeit noch übertroffen werden kann, ist hiermit beantwortet. Der Wendler, der unter dem Namen Mic Skowy seine Songs schreibt und sich selbst vor laufender Kamera als „geile Sau“ bezeichnet, schließt nicht nur – wie die Welt schreibt – die musikalische Lücke, die Rex Gildo durch seinen Sprung durchs Klofenster hinterlassen hat, sondern er überschreitet auch die Schamgrenze dessen, die bisher bei SAT1 für „guten Geschmack“ galt.
Wer sich selbst davon überzeugen und Sätze wie „Es kann nur einen Herrn im Haus geben, und das bin zum Glück ich“ (der Wendler) oder „Stimmt gar nicht, dass ich die Küche nie benutze, erst neulich hab ich doch mal was mit Reis gemacht“ (dem Wendler seine Frau) hören möchte, sollte unbedingt die nächste Folge einschalten – bevor sich die Spirale des Wahnsinns noch schneller dreht und die Sendung abgesetzt wird …
Ricarda
Oh, Himmel! Mein Beileid, dass Du da kleben geblieben bist. Ich habe das Elend schon in der Fernsehzeitung erkannt und SAT1 direkt übersprungen.
Ja, fremdschämen, anders kann man es wohl nicht nennen. Ich wundere mich auch immer wieder, dass es eine Zielgruppe dafür zu geben scheint. Aber dann tröste ich mich wieder mit dem Gedanken: Nichts ist peinlich genug, als dass Sat.1 nicht noch einen draufsetzen könnte. Man darf also gespannt sein, was der Rest des Jahres in puncto Geschmacklosigkeit noch so bringt. Der Einstieg war jedenfalls schon ganz schön hoch…
admin
Tja, in die Falle tappe ich auch nur einmal. Ansonsten bin ich ja auch eine Verfechterin von TV-Zeitschriften. Erst auswählen, dann einschalten. So wie das früher mal war, als es nur drei Sender und keine Fernbedienung gab …
Ja, der Jahresbeginn war fremdschämmäßig schon verheißungsvoll. Nur noch zu toppen durch Live-Geschlechtsumwandlungs-OPs.
Broken Spirits
Ich wiederhole mich ja ungern, aber: ist es nicht langsam an der Zeit die Glotze aus dem Fenster zu schmeißen? :mrgreen:
Lies mal ein Buch oder so, dann gibt sich das mit der Schockstarre… oder mach nen Spaziergang oder… egal: Hauptsache aktiv ;-)
PS: Lohnt es sich den Wendler auf auf DeineRöhre zu suchen, damit ich weiß, worum es geht? Habe ich etwa eine musikalische Bildungslücke…?
admin
Ach was, die Glotze(n) muss ich behalten. Da laufen ja auch so herrliche Sachen wie „Die Bluthochzeit“ (gestern Abend, mit Armin Rohde und Uwe Ochsenknecht – herrlich!). Außerdem brauch ich ja Themen für mein Blog :-)
Zum Lesen und Draußenrumlaufen komm ich auch so zur Genüge, keine Sorge! Und was dem Wendler sein Gejaule anbetrifft – ich würde das nicht als Musik bezeichnen, und von daher liegt deinerseits auch keine Bildungslücke vor …
Judith
Oh mein Gott!!! Von dieser Arschkrampenhackfresse hab ich auch mal was gehört. Ein echt heißer TV-Tipp – danke. Da schau ich doch gleich mal in die TV-Zeitung… Es kam ja auch grad so eine Ankündigung von einem „Model-Camp“ oder so ähnlich mit diesem furchtbar ekligen Typ Peyman, oder wie der heißt. Das verspricht auch feinste Unterhaltung nach harten Arbeitstagen, finde ich, zumnidest häppchenweise
admin
Oh, schön – du nährst deine Kreativität also auch mit Antimaterie? Model-Camp – muss ich mir merken. Wäre zu schade, das zu verpassen (und nicht darüber lästern zu können).
Andrea
Nie gehört vom WENDLER, und wir haben tatsächlich keinen Fernseher, ich muss mir also was Anderes suchen, wenn ich mich fremdschämen will… ;)
admin
So ging’s mir bis vorgestern ja auch. Nie gehört von ihm. Und das, obwohl wir gleich vier Glotzen im Haus haben …
Edith Nebel
Schlechter Geschmack, schlechter Gesang, peinliche Auftritte? Klar, den Wendler kenn‘ ich aus dem Fernsehen. Ich bin ein Gelegenheitskonsument der Titten-Tränen-Tote-TV-Magazine. Und da kommt man um diesen Kasper nicht drumrum.
Entsetzt war ich, als ich sah, dass mein Arbeitgeber Wendler-CDs im Programm hat. *grusel* Ein bissi Restkultur hätten wir noch, hab ich immer geglaubt.
admin
Ja, wenn der Gesang wenigstens einigermaßen wäre … Aber alles an diesem Typen ist einfach nur schlecht. Sehr erstaunlich, dass man mit so viel Unvermögen so viel Geld machen kann. Wenn wir so schlecht schreiben würden wie der singt, dan weis isch auc niht, wass dapay raußkehme …
Broken Spirits
Drittklassige Trashliteratur, die jeder kennt und kauft und inhaltlich gleich hinter dem Telefonbuch kommt :mrgreen:
admin
Dann bin ich wohl nicht jeder. Bitte genauere Literaturangabe!
Broken Spirits
Ohje, das ist ne schwere Frage… eigentlich war das ja nur ne Beschreibung, was bei rauskommt, wenn Du so schreibst wie diese Heulboje singt… den kannte ich auch nicht – ich bin wohl auch nicht jeder. :-)
Aber wenn ich sowas höre, frage ich mich schon, ob ich in Bezug auf die Musik nicht was falsch mache. Ich vermute mal, ähnliches gilt auch fürs Schreiben :-(