Was für eine Enttäuschung musste ich erleben, als der Deutsche Sprachrat 2004 seine Entscheidung im internationalen Wettbewerb „schönstes deutsches Wort“ bekanntgab: „Habseligkeiten“ war das Gewinner-Wort.
Hab-se-lig-kei-ten. Einer der idiotischsten Fünfsilber, die mir spontan einfallen.
„Kinder an die Macht“, kann ich da Herbert Grönemeyer nur beipflichten, denn die Kinder-Jury hatte sich immerhin für „Libelle“ entschieden. Sogar das bei der offiziellen Auszeichnung fünftplatzierte Wort „Rhabarbermarmelade“ hätte mir besser gefallen als „Habseligkeiten“, obwohl auch das weder richtig schön noch richtig witzig ist. Loriot hatte – unnachahmlich und stilsicher – „Auslegeware“ vorgeschlagen. DAS ist witzig!
Mein Vorschlag war „Gemütlichkeit“. Als ich ihn einreichte, hatte ich selbstverständlich höchst überzeugende Argumente: „Gemütlichkeit“ ist sowas von schön und sowas von deutsch und unübersetzbar obendrein, dass man es nicht mehr toppen kann.
Hausschuhe können ebenso gemütlich sein wie Jogginghosen oder Sofas oder Küchen oder ein Kaffeekränzchen oder eine Skatrunde oder ein Sonntagsfrühstück oder ein Kinoabend. Jeder versteht etwas anderes unter „Gemütlichkeit“, und doch weiß jeder, was damit gemeint ist. Oder, besser gesagt, was damit definitiv NICHT gemeint sein kann: Stress, Streit und Sorgen sind mit „Gemütlichkeit“ unvereinbar, und das das kann man von „Habseligkeiten“ leider nicht behaupten.
Ich komme über die Entscheidung des Deutschen Sprachrates einfach nicht hinweg. Warum nur fiel diese Wahl auf ein Wort, bei dem man in erster Linie an den bröseligen Inhalt von Herrenhandtaschen denkt oder an Wohnungsentrümpelungen oder Flüchtlingstrecks?
Nicht zu vergessen jenen unglücklichen Briten, der sich im chaotischen Tunnelsystem seiner eigenen Habseligkeiten verirrte und verdurstete, wie Petra zu berichten weiß. Wie ungemütlich!
Elke
Sehr amüsiert habe ich diesen Beitrag gelesen, habe ich doch vor zwei Jahren einen Beitrag zu diesem Thema für den Dudenkalender „Auf gut Deutsch 2009“ geschrieben. Wer dieses kostbare Stück sein eigen nennt, kann dort mal unter 3./4. Oktober 2009 nachschauen …
Lustig war nämlich, dass einige Linguisten die vermutete Wortverbindung von irdischem Besitz „mit dem unerreichbaren Ziel des menschlichen Glücksstrebens“ (so aus der Begründung der Siegerin) als falsch entlarvten. Der erste Bestandteil des Wortes hat mit „Hab“= Besitz nämlich nichts zu tun, sondern ist „Habsel“ = die Gesamtheit dessen, was jemand hat. Und das entsprechende Adjektiv dazu ist „habselig“ (sprich: hapselig). Lustig, gell :-)
admin
Liebe Elke, da sind wir ja mal wieder auf der selben Wellenlänge gewesen … Deinen Dudenkalender sollte ich mir unbedingt zulegen! Was mich wundert: Wieso hat Habsel nichts mit Habe zu tun? Die Gesamtheit dessen, was jemand hat, ist doch sein Besitz. Oder wie?
Liebe Grüße von Heike
Elke
Sorry, da hab ich mich etwas ungenau ausgedrückt: Ich meinte damit nur, Habseligkeiten kann nur nicht in die Wortbestandteile Hab + Seligkeiten zerlegt und interpretiert werden, sondern eben in Habsel + keiten. Jetzt klar?
admin
Ach so, ja klar. Mit der Habe hat’s also schon zu tun, nur eben nichts mit selig. Würde auch irgendwie nicht passen: „Habseligkeiten“ klingt mehr nach De- und Armut denn nach Kapitalismus und Besitzerstolz … Lg Heike