Goldmaries Blogtour: Samstag, 25. August 2012
Saskia hat mich eingeladen, an der Blogtour zu Gabriella Engelmanns neuestem Buch aus ihrer Märchen-Reihe teilnzunehmen: „Goldmarie auf Wolke 7“. Einer wirklich großartigen Reihe, von der ich wünschte, sie wäre mir selbst eingefallen :)
Mein Thema lautet: Wer war eigentlich die „echte“ Goldmarie? Die aus dem Märchen? Ich hab mal genauer nachgeschaut und mir so meine Gedanken gemacht …
Goldmarie ist eine Figur aus „Frau Holle“ – und zwar die arme, ausgebeutete Stieftochter, die beim Spinnen blutige Hände bekommt, die Spindel im Brunnen waschen will, hineinstürzt und in der Anderswelt landet. Wo sie sich durch Nettigkeit und Fleiß so auszeichnet, dass Frau Holle sie bei der Rückkehr mit Gold überhäuft. Die Stiefschwester soll das Ganze nachmachen, tut dies jedoch ohne Elan und ohne Motivation – mit dem Ergebnis, dass statt des Goldes pures Pech über ihr ausgeschüttet wird.
Kategorie 480D
Diese Geschichte ist bereits aus allen Perspektiven analysiert worden – tiefenpsychologisch, mythologisch, historisch und natürlich auch philosophisch.
In der internationalen Erzählforschung wird „Frau Holle“ nach dem Aarne-Thompson-Index – einer Klassifikation von Märchen- und Schwankgruppen – eingeordnet als „Märchen vom artigen und unartigen Mädchen“, also Kategorie 480D. Jawohl, sowas gibt’s!
Doch schauen wir einfach mal mit dem gesunden Menschenverstand des 21. Jahrhunderts auf die Story und fragen uns:
Was ist diese Goldmarie für eine gewesen?
Zunächst einmal – ein Kind in einer Patchworkfamilie, die nicht richtig funktionierte. Patchwork ist keine moderne Erfindung, sondern kam in früheren Zeiten häufig vor – weil viele Frauen im Kindbett starben und die Männer wieder heirateten, damit die Familie unter mütterlicher Obhut blieb.
Wie wurde sie erzogen?
Streng, höchstwahrscheinlich. Zu Demut. Und zu Gehorsam. So wie das früher üblich war. Elterliche Liebe? Fehlanzeige. Die Stiefmutter bevorzugte ihre leibliche Tochter, der Vater war tot oder hatte wenig Zeit bzw. interessierte sich nicht für die Kindererziehung. Die Goldmarie aus dem Märchen war wirklich bemitleidenswert. Artig, aber unglücklich. Doch dann wird – hokuspokus – alles gut. Dank Frau Holle und dank ihres Fleißes.
Die Botschaft?
„Egal, wie dreckig es dir geht, wie ungerecht alle zu dir sind, wie sehr du ausgebeutet und unterdrückt wirst: Sei artig und gehorsam, wenn du ein Mädchen bist, und vor allem fleißig im Haushalt, dann wirst du schon irgendwann belohnt.“
Autsch!
Mag man das so heute noch akzeptieren? Eher nicht. Mädchen von heute sind – zum Glück – nicht auf den Kopf gefallen. Und auch nicht auf den Mund. Und so ist die Marie in Gabriella Engelmanns moderner Variante dieses Märchens zwar manchmal „zu gut für diese Welt“ und braucht ein wenig zauberhaften Beistand, um ihren Weg zu machen, aber die Kategorie „artiges und unartiges Mädchen“ stimmt so nicht mehr.
Die Schwarz-weiß-Malerei der Märchen passt selten auf die Realität.
Niemand ist nur artig – auch Marie Goldt nicht – und niemand ist nur unartig. Selbst in ihrer „bösen Stiefschwester“ steckt ein guter Kern. Und in Marie steckt viel mehr als das kleine blonde Dummchen, das brav tut, was man ihm aufträgt, weil es sich nicht aufzumucken wagt. Ja, sie lässt es nicht immer nur schneien – sondern ab und zu auch mal krachen … und das ist gut so :) Danke, Gabriella Engelmann, für diese moderne Goldmarie!
Und wie geht die Blogtour weiter? Hier sämtliche Daten:
21.08.12: Bücherblog der Bücherelfe
22.08.12: Sandra’s Bücherecke
23.08.12: Glitzerfee’s Buchtempel
24.08.12: Histore
25.08.12: AbidiBooks
26.08.12: Lesetraum
27.08.12: Leselurchs Bücherhöhle
28.08.12: Books a Week
29.08.12: Buechertippzzz
30.08.12: Musik in meinem Kopf
31.08.12: Lebenswert
01.09.12: Bücherchaos
02.09.12: Rozas Leselieblinge
03.09.12: Beauty & Books
04.09.12: Stories48
05.09.12: Ninas Bücher
06.09.12: Annoras Lifestyle
07.09.12: Die Welt der Bücher
08.09.12 – 30.09.12: Meine kleine (Bücher)welt
Nicht zu vergessen: das Gewinnspiel!
Wie man bei der Blogtour ein signiertes Exemplar von „Goldmarie auf Wolke 7“ und Autogrammkarten von Gabriella Engelmann gewinnen kann, verrät übrigens Saskia in ihrem Blog …
Annora
Danke für die tollen Hintergrundinformationen zur Goldmarie. Von Kategorie 480D habe ich noch niemals gehört ;-) Aber anscheinend muss alles irgendwo einsortiert werden, selbst Märchen… Ich glaube jedoch nicht, dass die Botschaft, „Fleiß wird belohnt“ nur für Mädchen gilt. Vielmehr sollten doch auch Jungen, denen das Märchen vorgelesen wird, erkennen, dass Fleiß sich auszahlt und Faulheit eben nicht. Niemand sagt, dass fleißige Menschen nicht frech und ihre eigene Meinung haben dürfen. Auch nette und brave Kinder können faul sein und umgekehrt ;-)
AbidiText
Stimmt schon, was du sagst, Annora. Auch Jungen sollten fleißig sein. Und natürlich sollten fleißige Menschen ihre Meinung vertreten. So ist das ja auch in der modernen Goldmarie-Geschichte umgesetzt. Aber im ursprünglichen Märchen hat sich die Goldmarie sehr schlecht behandeln lassen und nicht aufgemuckt, sondern sogar noch weitergearbeitet, als die Finger bluteten … Früher war das zwar noch stärker ausgeprägt als heute, aber noch immer werden Mädchen in dieser Hinsicht etwas anders erzogen als Jungs. Vielleicht unbewusst, keine Ahnung. Aber wenn Jungs ihre Meinung vertreten, heißt es, sie stärken ihre Durchsetzungskraft. Bei Mädchen heißt es, sie zicken rum :)
Tine
Wow, das mit der Einordnung/Kategoriesierung von Märchen hab ich gar nicht gewusst. 480 D :D, irgendwie ist das eine seltsame Kategorie.
Mir fällt grad auf, dass ich viele Märchen kenne, aber was genau im Märchen passiert weiß ich oftmals gar nicht o.O ;D
toller Beitrag zur Blogtour!!
lg, Tine =)
AbidiText
Hallo Tine,
diese Kategorisierung habe ich auch erst entdeckt, als ich für diesen Blogbeitrag ein bisschen recherchiert habe. Du hast recht, einige Märchen kennt man zwar in- und auswendig, aber bei anderen weiß man eigentlich so gar nicht, worum es überhaupt geht. Bei mir sind das beispielsweise „Der gestiefelte Kater“ oder „Schneeweißchen und Rosenrot“. Lg Heike
Cappuccino-Mama
Aber da sieht man mal wieder, dass alte Märchen auch heute noch gültigkeit besitzen – Patchworkfamilie,…! Ja, was es alles gibt, da gibt es zu Märchen auch noch Kategorisierungen.
LG,
Heidi, die Cappuccino-Mama
AbidiText
Die Kategorisierungen sind wirklich lustig. Man müsste mal nachsehen, wozu „Der gestiefelte Kater“ oder „Die Bremer Stadtmusikanten“ gehört. Da ist die Kategoriebeschreibung bestimmt fast so lang wie das Märchen selbst :)