Sperrfristen gibt es nicht nur beim Führerschein, beim Arbeitslosengeld und bei Bausparverträgen, sondern auch im Literaturbetrieb. Oder sollte man sagen: in der Literaturwirtschaft. Dort sind sie ein feines Mittel, um ein neues Produkt (früher auch bekannt als: Buch) von allen Medien gleichzeitig anpreisen zu lassen, und das auf Basis einer fundierten Produktprüfung (früher auch bekannt als: lesen). Die Medien bekommen also Vorab-Exemplare zum Rezensieren – aber bei Androhung hoher Strafgelder das Verbot, vor einem bestimmten Termin darüber zu schreiben, gleich dazu. Klingt wegen der Strafen etwas erschreckend, ist aber wohl sinnvoll. Chancengleichheit und so. Die Rezensionen sollen halt pünktlich zum Erscheinungstermin überall zu lesen sein. Und nirgends vorher.
So ist das eigentlich gedacht. Aber uneigentlich kann es natürlich auch ganz anders kommen. Um als Hersteller (früher auch „Verlag“ genannt) ein Produkt ganz besonders zu pushen, macht man ganz einfach Ausnahmen von der Regel – und erlaubt einigen wenigen Medien, doch schon vorher zu berichten.
Wenn nun beispielsweise der Papst (früher auch bekannt als: Prof. Ratzinger) ein Buch schreibt, das weder von blutrünstigen Morden noch von blutdurstigen Vampiren handelt, aber dennoch – auch unter Nicht-Theologen – ein Kassenschlager werden soll , dann ist es möglicherweise verkaufsförderlich, es in gewissen Blättern anzuteasern. Auch innerhalb der Sperrfrist, die für alle anderen gilt.
Und welches moralisch einwandfreie, theologisch qualifizierte und „Licht der Welt“-taugliche Blatt wäre da wohl besser geeignet als die Zeitung mit den vier großen Buchstaben und den großformatigen Abbildungen sekundärer Geschlechtsmerkmale?
Dass die Rezensionen, die dann nach Ablauf der Sperrfrist hinterherkommen „wie die alte Fastnacht“ keinen mehr interessieren, ist natürlich ein Nachteil. Für diese Medien. Nicht für Papst, Verlag und das theologische Fachblatt mit den fetten Headlines. Sich darüber eine Meinung zu bilden, steht natürlich jedem frei …
Sven
Ich würde mich nie nur auf eine einzige Rezension begnügen, schon gar nicht wenn sie aus der Bild ist. Deswegen sehe ich das gar nicht so schlimm, denn auch die anderen Rezensionen würde ich lesen, aber wahrscheinlich nur welche im Internet ;-)
AbidiText
Nicht nur die Bild ist in diesem speziellen Fall von der Sperrfrist ausgenommen, sondern auch die Bild für Intellektuelle: die Zeit. Generell ist es einfach unfair, wenn die Frist nicht für alle gilt.
Maid
Ich lese Rezensionen normalerweise erst während oder nachdem ich ein Buch gelesen habe. Dann bin ich nicht vorher beeinflusst und kann meine Meinung mit der des Rezensenten abgleichen. ;-)
AbidiText
Also ich kaufe schon ab und zu ein Buch oder eine CD, nachdem ich eine Rezension gelesen habe. Allerdings sicher kein Papstbuch und auch nicht nach einer BILD-Rezension …