Gibt es einen vernünftigen Grund dafür, nichtssagenden Trallala-Schlagern aus aller Herren Länder zu lauschen, die man im wirklichen Leben nicht im Traum hörenswert fände? Oder dafür, dass man mit Freunden und Familie ernsthaft die choreographische Qualität verstörender Verrenkungen diskutiert und „Bonuspunkte“ für peinliche Verkleidungen vergibt? Nein, gibt es nicht. So ein Verhalten ist mit nichts zu rechtfertigen. Es sei denn, es ist Grand Prix. So wie heute.
Also wird man sich wieder einen Samstagabend vor der Glotze um die Ohren schlagen und darüber staunen, dass offenbar ganz Europa einen vollkommen anderen Musikgeschmack hat als man selbst. Man wird von „Schiebung“ reden und voll Zorn über das korrupte Wertungssystem die Käseplatte (bzw. noch stilechter: den Käseigel) leerfuttern, ohne es überhaupt zu bemerken. Oder sich in nostalgische Schwärmereien flüchten und an Festivals erinnern, bei denen noch richtig gute Musik geboten wurde. Wie „Ein Lied kann eine Brücke sein“, mit dem Joy Fleming 1975 ihrer Zeit weit voraus war und nur auf dem 17. Platz landete …
Zweifellos der erfolgreichste aller Eurovisionstitel ist übrigens im sogenannten „Hitchcock-Verzeichnis“ zu finden – denn dort sind die rund 550 Werke des französischen Komponisten Marc-Antoine Charpentier aufgelistet, der zur Zeit des Sonnenkönigs in Paris lebte: Oratorien, Messen, Psalmen, Opern, Sonaten … Nicht zu vergessen das Präludium seines Te Deums in D-Dur, das wohl jeder kennt – als Eurovisionsmelodie.
Was sicher auch nur wenige wissen: Die Veranstaltung heißt nicht und hieß auch niemals „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ – es gab wohl im Lauf der Jahrzehnte die unterschiedlichesten Titel, doch diese Variante war nie dabei, und seit 2004 sagt man kurz: „Eurovision Song Contest“.
Was wohl die heutige Veranstaltungen an Absurditäten zu bieten haben wird? Finnische Monsterrocker? Deutsche Pleiten? Baltische Trickkleider? Oder so eine knappe Entscheidung wie 1991, als Schweden und Frankreich die gleiche Punktzahl erreichten und Schweden nur deshalb gewann, weil man nach Vergabe-Häufigkeit hoher Wertungen entschied?
Dennoch – oder gerade deshalb – ist das Lied der 1991 zweitplatzierten Französin mein persönliches Lieblings-Grand-Prix-Lied. Noch vor Sertab Erener („Everyway that I can“, 2003), Johnny Logan („Hold me now“, 1987) und so manch anderem Highlight.
Hier ist sie: Amina Annabi mit dem Gänsehaut-Titel „Le dernier qui a parlé“.
Lieder wie dieses rechtfertigen ihn eben doch, den Samstagabend vor der Glotze mit Käseigel und Wertungsbogen …
Biggi
du kannst im Code händisch die Breite des Videos verändern…
oder auch auf Youtube eine schmalere Version anklicken…
admin
Kann ich das? Aber warum sollte ich? Auf meinem Bildschirm kommt das Video nicht so rüber, dass man es unbedingt breitenverändern müsste. Ist das bei dir anders?