Der erste Werbetext, in dem je ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Dienstleistung als flexibel, serviceorientiert und innovativ (wahlweise auch als individuell, preiswert und effektiv) bezeichnet wurde, mag eventuell für Aufmerksamkeit gesorgt haben. Damals, in der Steinzeit. Aber eins ist sicher: Die Zillionen ins gleiche Horn stoßender Nachahmertexte tun es nicht! Jedenfalls nicht, ohne dass man diese durch inflationären Gebrauch zu Luftblasen mutierten Vokabeln mit Inhalt füllt! Deshalb danke ich meiner Texttreff-Kollegin Kerstin Hoffmann dafür, dass sie das „Jahr der ungewöhnlichen Formulierung“ ausgerufen und mich dazu eingeladen hat, an ihrer gleichnamigen Blogparade teilzunehmen. Hier eine Anleitung zur Floskelvermeidung – und eine Erklärung dafür, warum hohle Phrasen leider manchmal unumgänglich sind.
Die Situation ist folgende: Eine fiktive Werbetexterin X sitzt mit den Herren (leider sind es meist ausschließlich Herren) A, B und C im Erstgespräch. Man brauche eine Imagebroschüre, eröffnet A. „Dringend“, ergänzt B. „Für die Messe“, sagt C.
Briefing? „Nö, schriftlich gibt’s leider nix“, sind sich die drei einig. Dazu ist ja schließlich dieses Meeting da. Ha ha.
Es wird sehr gelacht und erst mal bei den Keksen zugegriffen. Kaffee ist reichlich da. Informationen eher weniger.
„Was ist denn die Kernkompetenz des Unternehmens?“, will X wissen.
„Na ja, das Produkt eben.“
Ein Allerweltsprodukt allerdings, befürchtet X und fragt vorsichtig, ob es Mitbewerber gibt.
„Tausende“, seufzen A, B und C. „Die bieten im Grunde alle dasselbe an. Ähnlich in Preis und Ausführung.“
X ahnt, dass dies hier schwierig wird, und fragt nach den Stärken des Unternehmens. Vielleicht können die Herren mit diesem Stichwort mehr anfangen als mit „Kernkompetenz“.
Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: Man sei innovativ, flexibel, servicestark.
„Aha“, sagt X, deren schlimmste Befürchtungen sich gerade erfüllen. „Aber behaupten das nicht alle von sich?“
„Schon“, geben A, B und C kleinlaut zu, aber da müsse man ja wohl mithalten: „Also wenn die das über ihr Unternehmen schreiben, dann schreiben wir das auch.“
Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem X missionarisch wird und eine kleine Einführung bietet in den Sinn von Werbung:
„Nicht die Gemeinsamkeiten mit der Konkurrenz sollten Sie herausstellen, sondern die Unterschiede. Worin sind Sie besser?“
Schweigen im Walde.
Dann eine vorsichtige Rückfrage. Wie X das meine. „Was für Unterschiede. Wie – besser?“
Wenn X Glück hat, beherrscht sie die einschlägigen Verhörmethoden.
Schritt für Schritt bohrt sie nach und findet schließlich heraus, was mit „innovativ, flexibel, servicestark“ gemeint ist:
Man hat also eine eigene Entwicklungsabteilung. Randvoll mit hochkompetenten Leuten, klüger als Einstein und Hawking zusammen. Und eine besonders ausgeklügelte Logistik. Nicht zu vergessen die Servicetechniker, die bei Störungen innerhalb von maximal einer Stunde beim Kunden sind. Garantiert.
„Aha, aha, aha“, sagt X und notiert fleißig mit, „daraus lässt sich was machen. Sehr gut!“ Im Hinterkopf fallen ihr bereits die ersten netten Formulierungen ein – eine hübsche Headline-Idee ist auch schon dabei.
Aber halt: So läuft das nicht immer. Nicht jedes Nachbohren führt zu einer inhaltlichen Goldmine. Manchmal bleibt heiße Luft auch einfach nur heiße Luft.
Oder – noch schlimmer – stinkende heiße Luft.
In solchen Fällen bleibt X nichts anderes übrig, als für Kaffee und Kekse zu danken und den Job anderen Lohnschreibern zu überlassen, die keine Probleme mit abgelutschten Floskeln haben.
Denn der erste Werbetext, der mit Formulierungen wie „Unsere megagünstigen Preise verdanken Sie der Tatsache, dass wir in Bangladesch unter menschenunwürdigen Bedingungen von Kindern fertigen lassen“ oder „Mit Service meinen wir eigentlich nur, dass wir eine Beschwerdehotline eingerichtet haben, die aber nur zu einem Callcenter in Brandenburg führt, wo keiner auch nur die geringste Ahnung hat“ enthält, muss erst noch geschrieben werden. Auffallen würde er aber wohl garantiert!