Es war einmal ein kleines, kleines Dörfchen, in dem lebten viele lustige Leute, die gerne Fußball spielten, Kuchen buken und Lieder sangen. Deshalb gab es in diesem Dörfchen auch einen Fußballclub, einen Landfrauenverein und einen „Liederkranz“.
Nun begab es sich aber, dass weit, weit entfernt in einem ganz anderen Teil des Landes ein Ort lag, der genauso hieß wie das Dörfchen mit den lustigen Leuten und den drolligen Vereinen. In diesem weit entfernten Ort gab es ebenfalls einen Gesangverein. Und der hieß – man glaubt es kaum – nicht anders als „Liederkranz“.
Das muss man sich mal vorstellen: Die Dörfchen hatten gleiche Namen, die Gesangvereine hatten gleiche Namen, die lustigen Leute hier und die anderen Leute weit entfernt hatten auch noch die gleiche Idee:
So viele Zufälle schrien geradezu nach einer Vereinsfreundschaft. Einer offiziellen, mit Einladungsschrieben auf Wappenpapier, mit Liederabenden und Reden und Anstecknadeln und organisiertem Frohsinn.
Und so geschah es. Eines Tages hatten die lustigen Leute hier und die anderen Leute weit entfernt eine noch genialere Idee. Sie wollten einen Baum pflanzen, der immerzu an die wunderbare Freundschaft der beiden Gesangvereine erinnern sollte.
Der Baum wurde gepflanzt, die Rührung war groß. Man hielt Reden und sang zauberhafte Lieder.
Doch dann geschah das Unvorhersehbare. Das Grundstück, auf dem der Baum stand, wurde Bauland. Ein Einfamilienfertighaus machte dem Freundschaftsbaum seinen Platz streitig.
Der Bauherr hatte gute Argumente, der Baum leider keine. Und so kam es, dass der symbolträchtige Baum gefällt werden sollte.
Da waren die Leute in dem kleinen Örtchen gar nicht mehr lustig. Sondern nachdenklich. Sie dachten und dachten und dachten, was das Zeug hielt. Schließlich beschlossen sie, dass sie keinen Ersatzbaum pflanzen würden, weil man ein Lebenwesen nicht einfach so durch ein anderes ersetzen kann (und man ja auch nie wusste, ob auch der neue Baum eines Tages einem Einfamilienfertighaus im Wege stehen würde).
Nein, sie hatten eine viel bessere Idee: Ein Metallschild sollte an den Baum erinnern! Und an die Freundschaft und an die Rührung und an die Symbolik und alles.
Aber was sollte man draufschreiben auf dieses Schild? Hm. Da war guter Rat teuer. Man traf sich an Ort und Stelle – wenige Tage bevor der Baum gefällt werden sollte. Da war das Formulieren auf einmal gar nicht mehr so schwer! Man war inspiriert und schrieb und schrieb, dann ließ man das Schild anfertigen in einer Schilderanfertigerei. Und schließlich bekam es einen tollen Platz, der mit Bedacht ausgewählt war: Er befand sich an der Seitenaußenwand des Buswartehäuschens in der Ortsmitte, und man kann sich nun wirklich keinen passenderen Ort für ein solches Schild vorstellen.
Zur offiziellen Einweihung wurde richtig was geboten: Der Musikverein des Nachbardörfchens spielte auf, der Bürgermeister hielt eine Rede, der Vereinsvorsitzende hielt eine Rede, der Gesangverein sang ein Lied, sang noch ein Lied, der Landrat hielt eine Rede. Dann war es so weit. Das Schild wurde enthüllt.
Und urplötzlich brach eine wenige Jahre zuvor zugezogene Texterin völlig grundlos in ein irres Gelächter aus. Sie kriegte sich gar nicht mehr ein. Nach Luft ringend kicherte sie und deutete dabei auf die Inschrift. Die lustigen Leute machten sich Sorgen und versuchten zu verstehen. Sie betrachteten das Schild, lasen es – aber verstanden nicht, was in diese hysterische Texterin gefahren war …