Gastbeitrag von dissens-Tina – vielen herzlichen Dank dafür!
„Wenn das Volk kein Brot hat, dann soll es eben Kuchen essen“ (frz.: „S’ils n’ont pas de pain, qu’ils mangent de la brioche!“), so das Zitat, das gerne (fälschlicherweise) Marie Antoinette zugeschrieben wird. Nun, das ist eine Weile her und somit ein wenig überholt. An heutige Zeiten angepasst, muss es lauten: „Wenn die Weltbevölkerung nichts zu essen hat, dann soll sie eben saufen!“
Zumindest lässt die aktuelle Printkampagne der Firma k+s nur wenige andere Deutungen zu.
Der eher kleingedruckte Text der Anzeige besagt:
„Die Weltbevölkerung wächst, die Ansprüche an die tägliche Ernährung verändern sich und die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten steigt – vor allem in den Schwellenländern – stetig an. Es gilt, Flächenerträge zu erhöhen, um den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln decken zu können. Mit unseren Düngemitteln schaffen wir dafür eine wichtige Voraussetzung. So leisten wir einen erheblichen Beitrag zur nachhaltigen Ernährung der Weltbevölkerung. Für ein Plus an Wachstum und reiche Ernte.“
So weit, so leseunfreundlich und holperig. Und über die Frage, was genau man sich unter „nachhaltiger Ernährung“ vorstellen soll, möchten wir wirklich nicht allzu lange nachdenken. Immerhin lässt sich herauslesen, dass die Firma einen Beitrag zur Welternährung zu leisten verspricht.
Diesen Text jedoch mit einem Bildmotiv zu hinterlegen, welches einen Weinberg (!) zeigt, erscheint … wenig glücklich. Es mag zwar sein, dass in der entsprechenden Marketingabteilung Wein als Grundnahrungsmittel gilt, dies dürfte aber für die Mehrheit der (teils hungernden) Menschheit kaum nachvollziehbar sein.
Für den Betrachter bleibt nur noch eine Frage offen: Sind die für diese Anzeige Verantwortlichen …
a) einfach nur unwissend?
b) permanent volltrunken?
c) grenzenlos zynisch?
oder
d) von allem etwas?
Ich nehme den Publikumsjoker!
Heike Baller
Ich nehme a) in Zusammenarbeit mit – sorry – „faul“; zu faul, um nach dem wirklich passenden Bild zu recherchieren. Der dramatische Lichteffekt solls bringen – ob er nun als Auf- oder Untergang verstanden wird, alles hochmetaphorisch und so – und dabei fällt die andere, zentrale Information des Bildes unter den Tisch. Ich finds schlampig.
Es tät mich ja mal interessieren, wie der Fotograf/die Fotografin die Nutzung des Bildes beurteilt. Mit einem anderen Kontext wäre hier ja eher eine Reklame für den friedlichen Ausklang eines atemberaubenden Tages denkabr.
AbidiText
Schlampig und faul – ja, das wäre eine wohlwollende Erklärung …
g.s.
e) daran interessiert ihre aktien an wohlhabende bürger eines wohlhabenden landes zu verkaufen?
AbidiText
Warum nicht gleich daran, ein Schwellenland günstig zu kaufen – und dort Wein anzubauen?
Anne
Toller Artikel! Auf den ersten Blick sieht die Werbung aus wie jede andere. Bei genauerem Hinsehen allerdings gibt es eine ganze Menge, was nachdenklich macht. Der Weinberg ist nur das I-Tüpfelchen auf die völlig verunglückte Kampagne.
Düngemittelhersteller schreibt über Weltbevölkerung und wachsende Ansprüche. Aber hallo – hier wird der Eindruck erweckt, dass sich das Unternehmen zu einem guten Zweck mit der Weltbevölkerung auseinandersetzt. Natürlich macht man das wie jedes andere Unternehmen auch – aber nur aus unternehmerischen Gründen.
„Wachstum auf der ganzen Welt“ gibt es hingegen leider nicht auf der ganzen Welt und sich die Doppeldeutigkeit dieser Worte zum Vorteil zu machen, finde ich auch echt übel. Ich nehme Antwort E: Das Verhalten der Verantwortlichen ist BESCHÄMEND.
AbidiText
Wie – der Düngemittelhersteller will Kohle machen, nicht nur ein gutes Werk tun? Da bin ich aber entsetzt! Und das in der Vorweihnachtszeit. Nun behaupte bloß noch, das Fest der Liebe sei purer Kommerz, dann ist mein Weltbild vollends zerstört …