… wird erst durch das Hilfsverb „haben“ zum korrekten deutschen Satz, wenn auch zu keinem besonders schönen. Apropos Satz und apropos Salz und apropos schön: Darüber, dass 2007 ausgerechnet „Ilsebill salzte nach“ zum attraktivsten Romananfang gewählt wurde, bin ich bis heute noch nicht hinweg.
ILSEBILL SALZTE NACH! Also wirklich …
Interessant daran ist doch nur, dass sich diese Ilsebill offenbar von besserwisserischen Bedenkenträgern und Gesundheitsaposteln nicht ins Bockshorn jagen lässt. Nein, es kümmert sie nicht im geringsten, dass zu viel Salz ihrem leiblichen Wohlbefinden abträglich sein könnte.
Abgesehen davon halte ich ich persönlich diesen Satz für nicht weiter erwähnenswert. Er macht mich nicht einmal neugierig auf den Rest des Romans.
Wobei ich zugeben muss, weder diesen Rest – nämlich den „Butt“ – noch sonst etwas von Grass gelesen zu haben. Besser gesagt: zuende gelesen.
Immerhin angelesen habe ich dereinst die „Blechtrommel“. Anfangs war ich schlichtweg be-geis-tert! Von Stil, Wortgewalt, Erzählkunst. Der Nobelpreiskommission muss es ähnlich ergangen sein wir mir – bis ziemlich genau Seite 100. Danach war ich nicht mehr beeindruckt, sondern genervt. Von Stil, Wortgewalt, Erzählkunst …
Dann kam die Erlösung: Fehldruck. Die Seiten 100 bis 120 gab es doppelt, 120 bis 140 fehlten dagegen. Ich seufzte dankbar auf und warf das Buch weg. Es zu reklamieren und mir in der Buchhandlung ein einwandfreies Exemplar zu besorgen, erwog ich nicht mal. Ein Geschenk des Himmels muss man auch annehmen können.
So viel zu Grass, zurück zum schönsten ersten Satz.
Genau genommen ein recht unsinniger Wettbewerb, aber im Grunde habe ich eine Schwäche für Unsinn. Ebenso wie für das Motto „Meckern darf nur, wer‘s besser macht!“ In diesem Fall: besser als jene Juroren, zu denen neben Elke Heidenreich auch Leute gehörten, die so berühmt sind, dass ich ihre Namen noch nie zuvor gehört habe.
Kein Problem, diese Kommission zu überbieten – denn jedes zufällig aus dem Regal gegriffene Buch fängt schöner an als der „Butt“. Selbst mein ungeschriebener, dessen erster Satz schon feststeht, den ich aber aus urheberrechtlichen Gründen noch niemandem verrate (nur so viel: Das Wort „nackt“ kommt darin vor).
Beispiele gefällig? Aber gerne:
„Blut! Daran gab’s keinen Zweifel!“
(Astrid Lindgren, „Kalle Blomquist Meisterdetektiv“)
„Sogar der Apfel wird im Wasser leichter.“
(Regina Rusch, „Die paar Kröten“)
„Weit draußen in den unerforschten Einöden eines total aus der Mode gekommenen Ausläufers des westlichen Spiralarms der Galaxis leuchtet unbeachtet eine kleine gelbe Sonne.“
(Douglas Adams, „Per Anhalter durch die Galaxis“)
„Dies ist ein Buch über das Ende der Welt und als solches handelt es von Diätkochbüchern und Lebenshilfe-Gurus, von Strafgefangenen, die durch Abwasserschächte kriechen, und überarbeiteten Verlagslektoren, vom wirtschaftlichen Zusammenbruch der Vereinigten Staaten und dem verbreiteten Anbau von Alfalfa-Sprossen.“
(Will Ferguson, „Glück“)
„Und dieser Peter Landwei – das war ich.“
(Martin Suter, „Lila, Lila“)
„Ich gebe dieses Buch hin für das, was es wert ist.“
(André Gide, „Der Immoralist“)
„Als Pearl Tull im Sterben lag, kam ihr ein komischer Gedanke.“
(Anne Tyler, „Dinner im Heimweh-Restaurant“)
Weitere Alternativvorschläge? Werden gerne entgegengenommen. Ich bin gespannt.
Daniela
Was für ein schöner Beitrag :-) Ich hab gerade auch mal ins Bücherregal gegriffen:
„Da die Straßen, die vom Strand zum Embankment hinabführen, sehr schmal sind, geht man dort besser nicht Arm in Arm entlang: Tut man es dennoch, werden Kanzleischreiber mit hastigen Sprüngen in den schmutzigen Rinnstein ausweichen müssen, junge Schreibfräulein genötigt sein, hinter einem den Schritt zu verhalten.“
(Virginia Woolf, „Die Fahrt hinaus“)
„Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley.“
(Daphne Du Maurier, „Rebecca“)
„Ich wurde zweimal geboren: zuerst, als kleines Mädchen, an einem bemerkenswert smogfreien Januartag 1960 in Detroit und dann, als halbwüchsiger Junge, in einer Notfallambulanz in der Nähe von Petoskey, Michigan, im August 1974.“
(Jeffrey Eugenides, „Middlesex“)
„Es war unmöglich, spazieren zu gehen an diesem Tag.“
(Charlotte Bronte, „Jane Eyre“)
admin
Einige davon hab ich nicht gelesen. Aber das wird sich sicher bald ändern. Einen richtig guten ersten Satz erkennt man nicht zuletzt daran, dass er Lust auf das Buch macht!
Dorothee
Mein Favorit: „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong-Berge.“ Aber nicht nur meiner. Frau Google liefert 33500000 Treffer dazu. Scheint also Mainstream zu sein. :-)
admin
So Mainstream, dass Frau Google direkt auf den Film verweist, gar nicht erst auf das Buch. Ein Schicksal, dem wohl nur das Telefonbuch entgehen kann …
Katharina
Herrlich! Du sprichst mir aus der Seele, denn mir ging es haargenauso mit dem Butt und dem ganzen Grass. Und diesem total langweiligen Anfang. Mein Favorit: Aus Irene Disches Buch „Großmama packt aus“:
Daß meine Enkeltochter so schwierig ist, hängt vor allem mit Carls geringer Spermiendichte zusammen.“
Es war das erste Mal, dass ich beim Eröffnungssatz eines Buches laut gelacht habe.
admin
Und wieder ein neues Buch auf meinem Wunschzettel: Carls geringe Spermiendichte macht natürlich sehr neugierig :-)
Katharina
Ja, ich finde der Satz macht total neugierig. Aber ich muss vorwarnen. Das Buch ist nicht schlecht, aber hält m.E. nicht ganz, was es verspricht. Die Figur der Großmutter ist großartig, weil sie wirklich eine eigene drastische Sprache spricht, aber der Plot zieht sich ein wenig. Nichtsdestotrotz, sage ich lies mal. Würde mich interessieren, was du meinst.
Und da es ja hier nur um erste Sätze ging, dachte ich mir, gehört es unbedingt auf diese Liste.
Heike 1 / Frau H.
Das ist ja göttlich hier! Möchte auch das Buch mit der Spermiendichte lesen wenn du fertig bist.
Hab auch bisschen gestöbert nach ersten Sätzen bei denen ich auf jeden Fall erst mal weiterlesen würde:
Das Gesetz der Taverne: (1.) Niemand bringt Essen mit – schon gar nicht Essen, das sagen kann wo es wohnt. Der eigentliche erste Satz des Buches lautet: Die Dämonen hatten eine Torte bestellt.
(Nina Blazon, „Die Reise nach Yndalamor“)
Wobei mir der erste Satz, wenn auch nur dieser, von der „Blechtrommel“ schon auch ganz gut gefällt, zumindest der erste Teil:
Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt,………
Dann wird es aber auch schon anstrengend, stell dir vor ICH müsste diese Mammutsätze in Satzglieder zerlegen……. :-))
Wir mussten uns damals für den Deutschunterricht den Film im Kino ansehen, war für uns Teenies ziemlich eklig!
admin
Frau H., ich bin entzückt, wenn Sie entzückt sind :-) „Die Dämonen hatten eine Torte bestellt“ klingt recht verlockend. Leihst du mir das Werk mal aus? Zum Dank gibt’s ein paar Satzglieder gratis!